Natan Sznaider erhält Geschwister Korn und Gerstenmann-Friedenspreis
Die Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung in Frankfurt am Main verleiht ihren Friedenspreis 2024 an den in Mannheim geborenen und in Tel Aviv lehrenden Soziologen Natan Sznaider
Aus der Pressemitteilung der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung:
Der Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung würdigt literarische, publizistische und kulturelle Bemühungen um den Frieden in Israel und darüber hinaus in der ganzen Welt. Er wird alle drei Jahre vergeben und ist zurzeit mit 50.000 Euro dotiert. Damit zählt er zu den höchstdotieren Kulturpreisen in Deutschland. Gestiftet haben ihn Abraham Korn und seine Schwester Rosa Gerstenmann im Jahr 1987 zum Gedenken an ihre im Konzentrationslager Majdanek ermordete Nichte Sarah Gerstenmann. Bisherige Preisträger waren: Shimon Peres (2001), Amos Oz (2003), Daniel Barenboim und Edward Said (2006), Sari Nusseibeh und Itamar Rabinovich (2009), Avi Primor (2012), Tom Segev (2015), Lizzie Doron mit Mirjam Pressler (2018) und Joseph Croitoru (2021).
Natan Sznaider wurde 1954 als Sohn von aus Polen stammenden Überlebenden des Holocaust in Mannheim geboren und ging mit 20 Jahren nach Israel, wo er nach der Arbeit in Kibbuzim an der Universität Tel Aviv Soziologie, Psychologie, Philosophie und Geschichte studierte. 1984 wechselte er an die Columbia University in New York. Dort wurde er 1992 mit einer Arbeit über die „Sozialgeschichte von Mitleid“ promoviert (erschienen 2001: „The Compassionate Temperament: Care and Cruelty in Modern Society“). Von 1994 bis 2023 lehrte er als Professor für Soziologie und Soziologie des Holocaust an der Akademischen Hochschule Tel Aviv.
Sznaider prägte den Begriff der „kosmopolitischen Erinnerung“ (2001/2007) im globalen Zeitalter, ausgehend von Holocaust-Gedenktagen, Holocaust-Museen und anderen supranationalen „Erinnerungsorten“. Mit „Gedächtnisraum Europa“ (2008) entwarf er anhand von Hannah Arendts Schriften eine jüdische Perspektive auf Kosmopolitismus im 21. Jahrhundert. In der seit 2020 geführten Debatte über die neue Konkurrenz von Holocaust und Kolonialismus im kollektiven Gedächtnis („Fluchtpunkte der Erinnerung. Über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus“, München 2022) analysiert Sznaider die verschiedenen Positionen und bezweifelt die Vereinbarkeit von konträren Erinnerungsdiskursen: nämlich dann, wenn der Holocaust zu einer nur noch partikularen Erfahrung herabgestuft und die Existenz Israels infrage gestellt werden.
Mit dem Schriftsteller und Deutsch-Iraner Navid Kermani führt Sznaider seit der zweiten Intifada 2002 ein respektvolles und freundschaftliches Streitgespräch über „Israel – Eine Korrespondenz“ (veröffentlicht nach dem 7. Oktober 2023 im Hanser-Verlag). Im Juli erscheint sein jüngstes Buch im Hanser-Verlag: „Die Jüdische Wunde: Leben zwischen Anpassung und Autonomie“.
Die Geschwister Korn und Gerstenmann Stiftung würdigt das literarische Wirken des Preisträgers für den Frieden in Israel und der Welt, insbesondere seine Publikationen über kosmopolitisches Holocaust-Gedenken und die Erinnerungskonkurrenz von Holocaust und Kolonialismus.
Die Preisverleihung findet am 26. Mai 2024 im Ignaz Bubis-Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main statt; die Laudatio hält der Münchner Historiker Michael Brenner.