Eine kritische Untersuchung der planetaren Grenzen und ihrer Bedeutung für das Umweltrecht
Das HIAS freut sich, im Rahmen der NetIAS-Ausschreibung des CAT-Programms (CAT – Netias – Constructive Advanced Thinking) erneut herausragende Nachwuchswissenschaftler:innen zu Gast zu haben.
Der Klimawandel gerät außer Kontrolle, führt zu einem ökologischen Kollaps und bedroht die heutigen Gesellschaften massiv. Die Folgen des Klimawandels machen einen Wechsel zur Nachhaltigkeit dringlich und unumgänglich. Eine einflussreiche Herangehensweise über Nachhaltigkeit in praktischer Hinsicht nachzudenken, bietet das Modell der planetaren Grenzen.
Im Zeitalter des Anthropozäns haben Erdsystemwissenschaftler:innen im Jahr 2009 mehrere solcher „planetaren Grenzen“ festgelegt. Das Konzept bezieht sich auf neun interagierende biophysikalische Schwellenwerte, die als tatsächliche Grenzen betrachtet werden, die nicht überschritten werden dürfen, um abrupte, nicht lineare, potenziell katastrophale und weitgehend unvorhersehbare Veränderungen der Umwelt und des Planeten zu vermeiden. Sieben dieser planetarischen Grenzen sind jedoch bereits überschritten worden. Die Wissenschaftler:innen schlugen daher vor, von den sektoralen Analysen der Wachstumsgrenzen, die auf die Minimierung negativer externer Effekte abzielen, hin zur Schätzung eines „sicheren Handlungsspielraums“ für die menschliche überzugehen. Doch wie kann dieses Konzept der planetaren Grenzen in den Sozial- und Rechtswissenschaften umgesetzt werden?
Um das Potenzial des Konzepts in den Sozial- und Rechtswissenschaften zu erforschen, möchte das CAT-Team drei Schlüsselbereiche hervorheben: Biodiversität und Klimawechselwirkungen, Gesundheit und Umwelt sowie Menschenrechte und Klimaprozesse. Für jedes Thema werden drei kritische Leseraster des Umweltrechts angewandt, d.h. verschiedener Bereiche des internationalen und nationalen Rechts, die die Umwelt schützen, wie z.B. Menschenrechte, Wirtschaftsrecht usw.,wobei der Schwerpunkt auf den folgenden Aspekten liegt: Identifizierung von Akteur:innen, Partizipationsprozess und die Entwicklung von Lösungen.
Das interdisziplinäre Projekt (Rechtswissenschaft, Soziologie und Wissenschaftsphilosophie) ist durch das Bewusstsein der Dringlichkeit motiviert, über alle Disziplinen hinweg auf die aktuelle Situation zu reagieren. Im Rahmen des CAT-Programms hat das Team die Möglichkeit, mit Forscher:innen aus den verschiedenen Disziplinen an den jeweiligen Instituten, ihren Forschungsgemeinschaften und mit anderen Akteur:innen vor Ort (NGOs, Regierungen, Behörden und Unternehmen) in Austausch zu treten. Am Ende des Projekts ergänzt ein wissenschaftlicher Comic die akademischen Veröffentlichungen und Blogbeiträge, um ein breiteres Publikum anzusprechen.
CAT-Mitglieder:
Anne Dienelt, Rechtswissenschaft, Universität Hamburg
Vincent Gengnagel, Politische Soziologie, Europa-Universität Flensburg
Marion Lemoine-Schonne, Rechtswissenschaften, CNRS (Projektleiterin)
Camila Perruso, Rechtswissenschaften, Universität Paul-Valéry Montpellier 3
Henrik Thorén, Philosophie, Universität Lund
Forschungsfragen:
Wenn planetare Grenzen als Handlungsanreize verstanden werden, welche konkrete Rolle könnten sie dann auf nationaler und territorialer Ebene spielen? Um diese Frage zu untersuchen, nimmt die CAT-Gruppe eine interdisziplinäre Perspektive ein:
Wie können wir die Hürden überwinden, die in der Geschichte der internationalen Beziehungen bereits bestehen, wie z. B. die Schwierigkeit der Staaten, gemeinsame Ziele auf universeller Ebene anzunehmen, und ganzheitliche Lösungsansätze in Recht und Politik umsetzen? Welchen politischen Stellenwert hätten die wissenschaftliche Wissensproduktion und Experten-Schnittstellen in einem Regierungssystem, das sich mittels quantifizierbarer Indikatoren an den planetarischen Grenzen orientiert?
Planetare Grenzen erfordern ein Überdenken des Rechts, wie wir es kennen, indem der Anthropozentrismus nuanciert wird und auch Überlegungen über den Planeten und die Natur einbezogen werden. Stellen diese Grenzen aus rechtlicher Sicht Rechtsgrundsätze und -normen in Frage? Stellen sie diese Grundsätze oder sogar das internationale Umweltrecht und andere Rechtssysteme in Frage? Wie und wo manifestieren sich solche Herausforderungen?
Einige rechtliche und politische Fragen bleiben nach wie vor unerforscht: Wie wird das Konzept der „planetaren Grenzen“ in der Praxis der Rechtsakteur:innen konkret verwendet? Welche Indikatoren und Verteilungsschlüssel stehen rechtlich zur Verfügung, um über die Aufteilung dieses sogenannten „sicheren und gerechten Korridors“ zwischen ökologischen und sozialen Faktoren zu entscheiden?
Image Information
Eine Illustration aus dem Roman „Rund um den Mond“ von Jules Verne, gezeichnet von Émile-Antoine Bayard und Alphonse de Neuville. 16. September 1872. Kupferstich von Henri Théophile Hildibrand.