Summer School 2024

Die HIAS-Alumni-Sommerschule 2024 für Doktorand:innen und Postdocs fand vom 14. bis 21. Juli in Hamburg statt. Für das HIAS sind diese Sommerschulen eine hervorragende Möglichkeit, mit seinen früheren Fellows in Kontakt zu bleiben, die Kontinuität in der Zusammenarbeit zwischen den HIAS-Alumnae/Alumni und ihren Hamburger Tandempartner:innen zu fördern sowie eine Reihe von Nachwuchswissenschaftler:innen ans HIAS einzuladen und sie mit Hamburger akademischen Institutionen wie der Universität Hamburg oder der Akademie der Wissenschaften in Hamburg zu vernetzen.

In diesem Jahr war die HIAS-Sommerschule Teil der renommierten Princeton-Bucharest-Hamburg-Cooperation in Early Modern Philosophy und drehte sich um das Thema:

Kontroversen vs. Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Revolution: Gesellschaften, Experimente und die „gemeinsame Sprache“ der Wissenschaft im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts

Prof. Dana Jalobeanu, Organisatorin der Sommerschule, UHH-Fellow am HIAS 2022/23 und Professorin an der Universität Bukarest, berichtet:

„Das Projekt einer Sommerschule für Doktorand:innen und Postdocs entstand ganz natürlich am Ende meines Aufenthalts am HIAS, nachdem ich zahlreiche Diskussionen während des wöchentlichen Seminars geführt hatte, das ich (in hybrider Form) mit Kolleg:innen von der Universität Hamburg, der Universität Bukarest und der Princeton University organisiert hatte. Dieses Seminar war, wie fast alle meine Unternehmungen, interdisziplinär ausgerichtet, und sein Hauptziel bestand darin, die Zusammenarbeit zwischen Forscher:innen in Philosophie und in Geschichte der Frühen Neuzeit zu fördern. Dieses Bemühen verfolge ich seit Jahrzehnten, etwa indem ich die Institution des Princeton Bucharest Seminar in Early Modern Philosophy ins Leben gerufen habe – und im Geiste und Format dieses Princeton-Bucharest-Seminars habe ich auch die Struktur der HIAS-Sommerschule geplant. Nach einer Reihe von Diskussionen mit meinem Tandempartner Prof. Matthias Schemmel (Universität Hamburg) und seinem Kollegen und Mitarbeiter Dr. Rodolfo Garau (ebenfalls Universität Hamburg) haben wir uns darauf geeinigt, die Entstehung eines modernen Begriffs der „Zusammenarbeit“ in der Wissenschaft zum Thema der diesjährigen Sommerschule zu machen.

Das Thema

Zusammenarbeit (collaboration) ist ein fester Bestandteil des wissenschaftlichen Lebens, zumindest seit den letzten vierhundert Jahren. Viele unserer heutigen Einrichtungen sind darauf ausgerichtet, die Zusammenarbeit in kleinen oder großen Teams zu fördern. Es ist viel über die Soziologie und Psychologie der wissenschaftlichen Zusammenarbeit geschrieben worden, und doch hat man das Gefühl, dass wir vieles als gegeben hinnehmen, obwohl wir über eine im Wesentlichen historische Kategorie sprechen. Wir bewerten kollaborative Unternehmungen postfaktisch, meist im Zusammenhang mit ihren Ergebnissen; erfolgreiche Kollaborationen sind diejenigen, die letztendlich zum Wissensfortschritt geführt haben. Ein Blick auf die Geschichte der wissenschaftlichen Zusammenarbeit ist äußerst aufschlussreich für das Verständnis der Grundlagen und der Philosophie des wissenschaftlichen Lebens. Das 17. Jahrhundert ist eine Zeit vieler kollaborativer Unternehmungen; es ist auch ein Jahrhundert, in dem wissenschaft-liche Gesellschaften erfunden wurden und sich verbreiteten. Aber das 17. Jahrhundert ist auch ein Jahrhundert der Kontroversen; viele Kooperationen scheiterten und wurden zu Kontroversen. Ein und derselbe Autor hatte erfolgreiche Kollaborationen und geriet in erbitterte Kontroversen; und manchmal wurden Personen, die hervorragend wissenschaftlich zusammengearbeitet hatten, zu verbissenen Polemikern.

Obwohl Zusammenarbeit ein so wichtiger Aspekt moderner wissenschaftlicher Einrichtungen ist, wurden ihr Wesen und ihre historische Entwicklung nie vollständig untersucht. Das Ziel der HIAS-Sommerschule war es, dieses interessante und wichtige Merkmal in den Mittelpunkt historischer und philosophischer Untersuchungen zu stellen. Wir haben dieses Thema unter anderem deshalb gewählt, weil es sich um eine vertraute Kategorie handelt, zu der jeder Mensch leicht einen kognitiven und emotionalen Bezug herstellen kann, und die uns alle betrifft. Bei der Untersuchung historischer Kontroversen und kollaborativer Projekte haben wir die Teilnehmenden der Sommerschule auch zur Selbstreflexion und zum Nachdenken über ihre eigenen kooperativen Erfahrungen angeregt.

Die Menschen

Das Organisationsteam der Sommerschule am HIAS bestand aus Prof. Daniel Garber (Princeton University), meinem langjährigen Mitarbeiter bei der Organisation des Princeton-Bukarest-Seminars, meinem Tandempartner an der Universität Hamburg, Prof. Matthias Schemmel, und einem der langjährigen Teilnehmer des Princeton-Bukarest-Seminars, Dr. Rodolfo Garau, jetzt ebenfalls Mitglied des Fachbereichs Philosophie an der Universität Hamburg. Gemeinsam stellten wir eine Liste von renommierten eingeladenen Speakers auf, darunter Prof. Sophie Roux von der ENS Paris, Prof. Scott Mandelbrote von der Universität Cambridge und Prof. Roger Ariew von der Universität Southflorida. Der Kern der Organisator:innen und der eingeladenen Speaker brachte das Fachwissen und die Erfahrung des Princeton-Bucharest Seminar in Early Modern Philosophy in die Organisation der Sommerschule ein – einer Institution mit mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung.

Für die HIAS-Sommerschule 2024 gab es 54 Bewerber:innen, darunter 36 PhD-Studierende, 10 Nachwuchswissenschaftler:innen und 8 jüngere Wissenschaftler:innen mit universitärer Festanstellung. Wir haben 18 Teilnehmende ausgewählt, davon 10 PhD-Studierende, 4 Nach-wuchswissenschaftler:innen und 4 jüngere Forschende mit Festanstellung. Die Teilnehmenden kamen aus 8 Ländern (USA, Vereinigtes Königreich, Deutschland, Frankreich, Italien, Nieder-lande, Türkei und Rumänien). Zusätzlich zu diesen ausgewählten Teilnehmenden hatten wir auch zwei Doktorand:innen von der Universität Hamburg (ILAS), Studierende meines Tandempartners Matthias Schemmel.

Ziele

Das Hauptziel der Sommerschule bestand darin, ein Lehr- und Lernumfeld zu schaffen, das den interdisziplinären Dialog und die Zusammenarbeit in einem selbstreflexiven Kontext fördert, der nicht nur die Geschichte des Phänomens untersucht, sondern auch Fragen zu seiner Natur aufwirft. Wir haben Personen ausgewählt, die sich bereits für kollaborative Unternehmungen des 17. Jahrhunderts interessierten (Editionen, Korrespondenznetzwerke, kollaborative Projekte, die Gründung wissenschaftlicher Gesellschaften, die Verbreitung von Büchern usw.), und so eine interdisziplinäre Gruppe von Doktorand:innen, Nachwuchswissenschaftler:innen und etablierten Forscher:innen zusammengestellt, die hervorragend zusammengearbeitet haben.

Programm und Aktivitäten

Das Programm der Sommerschule war in drei Arten von Aktivitäten gegliedert: Lesegruppen am Vormittag, collaborative sessions am Nachmittag und evening lectures am Abend.

Es gab fünf Lesegruppen, die sich jeweils mit einem Textkorpus aus dem 17. Jahrhundert befassten, der eine Form der Zusammenarbeit illustriert. Die Texte wurden im Voraus verteilt, damit die Teilnehmenden sie lesen und reflektieren konnten. Eine:r der Professor:innen gab einen 45-minütigen Input, in dem das Textkorpus und die Hauptfragen vorgestellt wurden. Anschließend wurden die Teilnehmer:innen in zwei Gruppen aufgeteilt und hatten eine Stunde Zeit, die Hauptfragen zu diskutieren und eine Reihe von Interpretationen zu erarbeiten. Den Gruppen wurden unterschiedliche Standpunkte und Interpretationskontexte zugewiesen. Anschließend wurden die beiden Gruppen zusammengeführt, und wir hatten eine weitere Stunde Zeit für allgemeine Diskussionen.

Für die collaborative sessions wurden die Teilnehmer:innen in fünf Teams aufgeteilt, wobei jedes Team eine Sitzung vorbereitete. Wir hatten fünf sehr unterschiedliche collaborative sessions: Eine reflektierte die verschiedenen Rollen, die die frühneuzeitlichen Formen der Zusammenarbeit einnahmen, eine andere befasste sich mit Fragen der Methode und methodologischen Diskussionen, eine dritte untersuchte eine berühmte Korrespondenz aus dem 17. Jahrhundert, eine vierte befasste sich mit Fragen der Repräsentation und Überzeugung im Zusammenspiel von Text und Bild in der wissenschaftlichen Repräsentation des 17. Jahrhunderts, und die fünfte veranschaulichte sehr unterschiedliche Formen des gemeinsamen Wissens, die in der Zusammenarbeit (und in Kontroversen) des 17. Jahrhunderts auftraten. Noch interessanter war, dass die fünf Gruppen sehr unterschiedliche Formate für ihre Präsentationen wählten, einige in Form einer Podiumsdiskussion, andere in Form von Lesegruppen, Teamarbeit und Rollenspielen. Die Teilnehmenden waren sehr gut vorbereitet, und die gemeinsamen Sitzungen verliefen hervorragend.

Darüber hinaus fanden fünf öffentliche evening lectures statt, die sich mit verschiedenen Aspekten von Zusammenarbeit und Kontroverse im Denken des 17. Jahrhunderts befassten. Sie wurden von Gästen der Akademie der Wissenschaften Hamburg und von Doktorand:innen des Fachbereichs Philosophie der Universität Hamburg besucht.

Meta-Reflexion und Aufgaben

Parallel zur Diskussion von Texten und Ideen wurden die Teilnehmenden auch aufgefordert, über ihre eigene Zusammenarbeit und ihre Rolle als wissenschaftliche counterparts nachzudenken. Sie wurden gebeten, im Verlauf der Woche schriftlich auf eine Reihe von Fragen zu antworten:

-Was waren die drei wichtigsten Merkmale der besten wissenschaftlichen Zusammenarbeit, die Sie hatten?
-Wer waren die Personen, mit denen Sie am besten kooperiert haben?
-Wenn Sie auch einmal eine gescheiterte Zusammenarbeit erlebt haben – woran ist sie gescheitert?
-Was haben Sie in Ihrer bisherigen institutionellen Ausbildung (Schule, Studium, Fortbildungen etc.) NICHT über Zusammenarbeit gelernt?

Es war äußerst interessant, die Antworten zu lesen – aber wir haben nicht nur gelesen. Die schriftlichen Antworten wurden in drei Science Comics verwandelt, die von einer der Teilnehmenden, der Künstlerin Melania Tucureanu (Universität Bukarest), gestaltet wurden. Auf der Grundlage dieser Plakate und der damit verbundenen Fragen führten wir eine Reihe interessanter Diskussionen. Die Plakate selbst blieben im HIAS (und sind auch hier auf der Webseite zu sehen), sie können als Material für weitere Diskussionen genutzt werden.

Rahmenprogramm & conviviality

Die gastfreundliche Atmosphäre des HIAS machte es sehr einfach, eine ganze Reihe von geselligen Momenten zu haben, bei denen man sich intensiv unterhalten und Ideen austauschen konnte. Eine der gemeinschaftlichsten dieser Veranstaltungen war das von den Teilnehmenden in der HIAS-Küche selbst zubereitete Abendessen – das entscheidend dazu beigetragen hat, die Gruppe der akademischen Kolleg:innen in einen Kreis von Befreundeten und Gleichgesinnten zu verwandeln.

Auswertung und Ausblick

Ein wiederkehrendes Thema in allen Evaluationsbögen, die wir erhielten, war der Wunsch, „in Kontakt zu bleiben“ und bei Veranstaltungen wie dieser weiter zusammenzuarbeiten. Aus den Gesprächen mit den Teilnehmenden wurde deutlich, dass solche Veranstaltungen in der Fach-Community dringend benötigt werden, und dass sie eine gute Ergänzung zu formelleren Konferenzen und Kolloquien darstellen. Darüber hinaus waren die Teilnehmenden besonders daran interessiert, eine gemeinsame Reflexion über das Phänomen der Zusammenarbeit und die Untersuchung frühneuzeitlicher kollaborativer Unternehmungen fortzusetzen.“

Aus Sicht des HIAS können wir Dana Jalobeanu nur herzlich dafür danken, dass sie eine so brillante Zusammenarbeit nach Hamburg gebracht hat und einen so lebendigen und intensiven Austauschs initiiert hat, wie er im Juli 2024 am HIAS stattgefunden hat – zu einem Thema, das für ein Institute for Advanced Study von zentraler Bedeutung ist: Cooperation in Science.

Leitung

Dana Jalobeanu, University of Bucharest and Universität Hamburg Fellow 2022/23

Ko-Organisatoren

Gäste/ Sprecher:innen

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