16. – 23. Juli 2023
Auf dem Weg zu einer sich vertiefenden Ost-West-Spaltung Europas?
Interessen, Identität und Erinnerung in Krisenzeiten
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ist ein Phänomen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, das die aktuellen politischen Realitäten in Europa prägt: Die allmähliche Entfremdung zwischen den westeuropäischen Ländern und denen in Mittelosteuropa (CEE), die während des Kalten Krieges unter sowjetischer Herrschaft gelitten haben. Nach einem vorbehaltlosen Bemühen um die Vereinigung des Kontinents und der Osterweiterung der Europäischen Union, die bis in die frühen 2000er Jahre andauerte, weist diese neue Teilung unterschiedliche Formen des kollektiven Gedächtnisses auf und manifestiert sich sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.
Erstens zeigen die mittel- und osteuropäischen Länder eine Neigung zu einer Form des populären Nationalismus, der sich deutlich von dem liberal-kosmopolitischen Ansatz abhebt, den die westeuropäischen Länder verfolgt haben, um die nationale Identität nach dem Zweiten Weltkrieg neu zu definieren. Das spiegelt dieses unterschiedliche Erbe wider. Diese Spaltung zeigt sich auch in den gegensätzlichen Verständnissen von liberaler und „illiberaler“ Demokratie, was sich beispielsweise in den Spannungen zwischen Ländern wie Ungarn und Polen und der Europäischen Union deutlich macht. Es gab einen bemerkenswerten Mangel an Vertrautheit oder gar öffentlichem Bewusstsein für die unterschiedlichen kollektiven Erfahrungen und die gemeinsame Geschichte, die die Bildung nationaler Identitäten in diesen Ländern prägten.
Zweitens betrifft die sich vertiefende Ost-West-Kluft auch die internationalen Beziehungen und die geopolitische Realität des Kontinents. Mit dem Krieg Russlands in der Ukraine hat die Erinnerung an die sowjetische Besatzung wieder an Bedeutung für die Gestaltung von Identitäten, Interessen und Politiken in der Europäischen Union und in Bezug auf die EU-Nachbarschaftspolitik gewonnen. Die Reaktion auf den Krieg in der Ukraine ist ein typisches Beispiel dafür. Infolgedessen waren die westlichen EU-Mitgliedstaaten gezwungen, ihre außenpolitischen und sicherheitspolitischen Strategien zu überdenken und neu zu kalibrieren.
Diese Sommerschule für Doktorand:innen und Postdocs wird sich mit den politischen und kulturellen Faktoren befassen, die das drohende Ost-West-Gefälle in Europa antreiben, und das jeweilige kollektive Gedächtnis und die politischen Prioritäten der Länder in einem interdependenten Europa untersuchen. Es wird sich mit folgenden Fragen befassen: Auf welchem kulturellen oder politischen Fundament könnte ein gemeinsames Projekt der europäischen Integration angesichts der Vielfalt kollektiver Identitäten und Erinnerungen auf dem Kontinent gegründet werden? Wie sieht die Zukunft dieses Projekts angesichts der Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine und der daraus resultierenden Krisen (Wirtschaft, Energie, Sicherheit usw.) aus? Gibt es eine Reihe gemeinsamer politischer Prinzipien, mit denen Sie den fragilen Demokratien in ganz Europa Stabilität und eine gemeinsame Ausrichtung für eine außenpolitische Agenda der EU verleihen könnten?
Ort und Datum: Hamburg Institute for Advanced Study, Mittelweg 161; 17.-22. Juli 2023; Ankunft Sonntag, 16. Juli; Abreise Sonntag, 23. Juli (mittags).
Höhepunkte der Summer School:
- Ansprechende Lernumgebung in einer kleinen, unterstützenden Gruppe für die sechstägige Sommerschule am Hamburg Institute for Advanced Study
- Zugang zu aktuellem Forschungs- und Bildungsmaterial über die politische Spaltung und die Zukunft Europas im Lichte der aktuellen geopolitischen Herausforderungen
- Einführung in das Jean-Monnet-Netzwerk „Europäische Erinnerungspolitik: Populismus, Nationalismus und die Herausforderungen für eine europäische Erinnerungskultur“ und einige seiner Forscher durch zwei hochkarätige Gastredner
- Sehr erfahrener Koordinator der Summer School: Dr. Oliver Schmidtke, Prof. in den Fachbereichen Politikwissenschaft und Geschichte; Jean-Monnet-Lehrstuhl für Europäische Politik und Geschichte und Direktor des Centre for Global Studies an der University of Victoria
- Gelegenheit für die Teilnehmenden an einem Podcast teilzunehmen, der sich mit den Faktoren befasst, die die vertiefende Ost-West-Kluft in Europa antreiben, und wie sie angegangen werden können
- Möglichkeit, an einigen lokalen Exkursionen und gesellschaftlichen Veranstaltungen in Hamburg, teilzunehmen